DER ABWEHRSTRATEGE IM GLÜCK Viele werden sich an den märchenhaften Sommer 2006 erinnern: Fußball-Welt- meisterschaft im eigenen Land. Ex-Nationalspieler Jens Nowotny berichtet im Glücksinterview exklusiv von seinen persönlichen Turnier-Highlights und verrät uns, welche Rolle das Glück beim Fußball und beim Brettspielen, seiner zweiten Leidenschaft, einnimmt. HERR NOWOTNY, SIE HABEN DIE WELTMEISTERSCHAFT 2006 HAUT- NAH ALS SPIELER MITERLEBT. WELCHER MOMENT IST IHNEN BIS HEUTE AM MEISTEN IN ERINNERUNG GEBLIEBEN? Es waren zwei, drei Momente, die mir in Erinnerung geblieben sind, und zwar die, die gezeigt haben, wie die Begeis- terung der Menschen für die WM oder auch für die Mannschaft gewachsen ist. Am Anfang waren die Menschen eher skeptisch. Irgendwann schwappte jedoch die Euphorie richtig rüber; und dann gab es letztlich diesen Moment, an dem man sich in Berlin von den Fans verabschiedet und bedankt hat. Gerade dieser Weg da- hin, das war schon begeisternd. ALS TORHÜTER JENS LEHMANN IM ELFMETERSCHIESSEN GEGEN AR- GENTINIEN DEN ENTSCHEIDENDEN ELFMETER HIELT, WELCHE ROLLE SPIELTE DER SAGENUMWOBENE ZETTEL OLIVER KAHNS? WIE VIEL GLÜCK WAR IM SPIEL? Ja, beim Elfmeterschießen ist natürlich immer ein bisschen Glück dabei. Ob der Zettel von den Gegnern überhaupt regis- triert wurde, das weiß ich gar nicht. Aber das ist wichtig, denn so ein Zettel, das ist schon eher etwas Psychologisches. Wenn der Schütze so etwas sieht, denkt er sich einmal mehr: „Oh, der Torhüter weiß, wie ich zuletzt geschossen habe“, und kommt dann ins Grübeln. Das kann ein psycholo- gischer Vorteil sein. VIELE SPITZENSPORTLER HABEN RI- TUALE, UM SICH DAS SCHICKSAL ZU HILFE ZU NEHMEN. GAB ES JE EIN SOLCHES RITUAL IN IHRER KARRIERE ODER WAREN SIE TATSÄCHLICH DER „ABGEZOCKTESTE BUNDESLIGA- PROFI” WIE DIE WELT 2007 TITELTE? Nein, ich glaube, dass jeder Spieler Rituale hat. Es liegt in der Genetik der Menschen, weil wir Gewohnheitstiere sind. Man hat eben immer den gleichen Ablauf an einem Spieltag. Ob das Aberglaube oder Gewohnheit ist, das sollte man einfach für sich selbst beantworten. SIE SIND GROSSER SPIELEFAN UND ORGANISIEREN UNTER ANDEREM AUCH SPIELETAGE. WIE KAM ES ZU DIESER LEIDENSCHAFT? Jens Nowotny 1974 in Malsch (bei Karlsruhe) geboren begann Nowotny seine Karriere beim Karlsruher SC und wechselte 1996 zu Bayer Leverkusen. Der Innenverteidiger galt im deut- schen Fußball als souveräne „Abwehrkante“ und wurde von mehreren internationalen Top- Klubs umworben. Verletzungspech und Ver- handlungsschwierigkeiten mit seinem Verein führten jedoch zu langen Spielpausen, sodass Nowotny unter anderem die WM-Teilnahme 2002 verwehrt blieb. Umso schöner, dass es 2006 klappte. 2007 beendete Nowotny seine Karriere im Profi-Fußball und ist seitdem in unterschied- lichen Unternehmungen und ehrenamtlichen Projekten aktiv. Es ist immer wieder faszinierend, so ein Spiel auf zumachen – heute nennt man das „Unboxing“ – die Einleitung zu lesen, die Mechanismen zu verstehen, in die Geschichte einzutauchen, und dann mit Freunden, Bekannten oder Familie am Tisch zu sitzen und 2 – 3 Stunden lang das gleiche Ziel zu haben. BEREITS SEIT EINIGEN JAHREN SIND SIE SCHIRMHERR DER NGO „KIDS- HELP KAMBODSCHA“, DIE SICH FÜR EINE VERBESSERUNG DER LEBENS- UMSTÄNDE VON KINDERN VOR ORT EINSETZT. WELCHE ROLLE SPIELT EIN SOLCHES ENGAGEMENT IN IHREM LEBEN? GLÜCK ODER STRATEGIE, WAS IST IHNEN BEIM SPIELEN WICHTIGER? Apropos Glück oder Strategie: das kommt immer drauf an. Manchmal hat man ganz gerne so leichte Spiele, die eher glücks- abhängig sind, aber manchmal auch so richtige Brainburner, wo man dann ganz genau überlegen muss, wenn man unbe- dingt gewinnen will. Also das ist immer situationsabhängig. FUSSBALL UND BRETTSPIELE, ES SCHEINT ALS LIEGT IHNEN DAS SPIE- LEN IM BLUT. WAREN SIE AUCH SCHON EINMAL IN EINER SPIELBANK? Mein letzter Besuch ist schon eine Weile her. Ich fand es aber sehr interessant. Also wenn man ein solches Engagement allein schon durch namentliche Präsenz voranbringen kann, da sollte man sich dann nicht zu schade sein, das auch zu tun, denn das ist ja ein relativ geringer Aufwand, den man da betreibt. Mein En- gagement bezieht sich vor allem auf das Thema Kinder – egal ob es nun darum geht, die Lebensbedingungen in anderen Ländern zu verbessern oder sei es nun die hier vorherrschenden zu verbessern. Das ist ein Thema, das einen angeht, und wenn man da die Möglichkeit hat, das zu unterstützen, sollte man das auch tun. WAS BEDEUTET GLÜCK FÜR SIE GANZ PERSÖNLICH? Gesundheit. 16 INTERVIEW